Wir sind wieder unterwegs in der Senne. Auf der Suche nach einem weiteren Lost Place passieren wir noch einmal den Heidebahnhof und die Winning-Mühle, die beiden Lost Places, über die wir bereits berichteten. Auf der Suche nach dem nächsten mysteriösen, verlassenen Ort schwelgen wir in Gedanken: Ist nicht eigentlich die ganze Senne ein riesiger Lost Place? Klar, die Senne ist unter Verwaltung der britischen Armee, aber gehört diese 116 qm große, größtenteils unbebaute und unbewohnte Fläche nicht eigentlich der unberührten Natur, der Pflanzen- und Tierwelt die sich hier von menschlichen Einflüssen nahezu ungestört ausbreiten kann?

Plötzlich reißt ein Gebäude uns aus unseren Gedanken. Geradezu majestätisch thront es hoch über der Sennelandschaft: ein Turm, der uns, wenn wir ihn erklimmen würden, garantiert eine schöne Aussicht auf die im Spätsommer so herrlich blühende Heidelandschaft bieten würde. Wohl um genau den Aufstieg über die von uns im Turminneren vermutete Treppe zu verhindern, wurde ein schier unüberwindbares Hindernis platziert: ein kleiner Sandhügel, oder besser gesagt ein Sandhaufen, der für uns aber natürlich absolut kein Hindernis darstellt. „Da kommen wir schon rüber“, denken wir uns und „zack“ befinden wir schon auf der Turmspitze.

Nein! So war es natürlich nicht. Schließlich ist das Betreten des Turms strengstens untersagt, was ja auch schon der zuvor erwähnte, absolut unüberwindbare Sandhaufen klar und deutlich macht – und wir halten uns selbstverständlich an die Regeln der British Army.

Bei dem 9,17 Meter hohen Turm (wir haben nachgemessen) handelt sich um den heute unter Sennekennern auch als „Kalkturm“ oder „Kalkofen“ bekannten Albedyllturm. Dessen ursprüngliche Version wurde im Jahr 1901 aus rotem Ziegelstein gebaut, bevor dem Gebäude 1934 dann sein heutiges Erscheinungsbild verpasst wurde. Seine ursprüngliche Funktion als Signal- und Beobachtungsturm für das Militär erklärt, warum es im Inneren des Turms drei Beobachtungsräume mit Sehschlitzen gab und auch Vorrichtungen für das Aufstellen von Zielscheiben vorhanden gewesen sein sollen. Übrigens geht der Name des Albedyllturms auf den General Emil von Albedyll zurück, der zwischen 1888 und 1892 unter der Herrschaft Wilhelm II. das VII. Armeekorps befehligte. (Albedyll ist der Name eines Adelsgeschlechts, das ursprünglich aus Lettlands Hauptstadt Riga stammt.)

Heute rankt sich das Gerücht um den Albedyllturm, dass dieser in der Vergangenheit immer mal wieder auch gerne als romantischer Treffpunkt von Liebespaaren genutzt wurde – ein Lost Love Place sozusagen. Wenn wir uns vorstellen, wie wir von der Turmspitze aus die vom Sonnenuntergang in orangenes Licht getauchte Sennelandschaft überblicken, können wir uns gut vorstellen, dass dieses Gerücht auf wahren Begebenheiten basiert. (dr)

 

Anm. d. Red.: Liebe Leser, bitte den Turm und das umliegende Gelände wirklich nicht betreten. Das Betreten ist unter Strafe verboten.

 

Der Albedyllturm, auch bekannt als Kalkturm. (Hier noch ohne Sandhaufenbarrikade.) Foto: Anno Krewet 

Quelle für die historischen Informationen: Truppenübungsplatz Senne: Zeitzeuge einer hundertjährigen Militärgeschichte, herausgegeben von Uwe Piesczek. (Bonifatius-Verlag, 1992)