„Die Erholungs- und Tourismusindustrie, die blühen auf. Ein Nationalpark schafft Arbeitsplätze. In Euros ausgedrückt ist das ein Hochleistungsbetrieb…“, Peter Wohlleben.

„Besser geht’s von allein!“

In 16 Nationalparks – auf einer Gesamtfläche von gut einer Million Hektar – können die Deutschen unberührte Natur genießen. Ein so bevölkerungsreiches und großes Bundesland wie Nordrhein-Westfalen kann bisher nur mit einem einzigen ausgewiesenen Nationalpark aufwarten, dem Nationalpark Eifel. Genau das will auch der NABU ändern. In den Kreisen Höxter und Paderborn sammelte das Aktionsbündnis „Ja! zu unserem Nationalpark Egge“ dafür bereits über 20.000 Unterschriften, deutlich mehr als für das Einreichen der beiden Bürgerbegehren erforderlich war. Journalistin Martina Vogt sprach jetzt für den NABU Paderborn mit dem Diplom-Forstingenieur. 

Peter Wohlleben begrüßt, dass Nordrhein-Westfalen einen zweiten Nationalpark will. 

„Davon können sich einige Bundesländer eine Scheibe abschneiden, zumal NRW trotzdem einen recht geringen Waldanteil hat und viel Bevölkerung“, so Wohlleben. Das Erholungsbedürfnis (Einwohner pro Quadratkilometer) ist in NRW besonders hoch. Allein von dieser Warte betrachtet sei ein zweiter Nationalpark dringend geboten. Darüberhinaus geht es ihm auch um den Naturschutz. „Die Politik hat ein internationales Ziel vereinbart: innerhalb von sechs Jahren 10 Prozent der bundesdeutschen Fläche unter Prozessschutz zu stellen“, stellt er mit Blick auf das Montreal-Abkommen von Dezember 2022 klar. Aktuell gibt es aber nur 0,6 Prozent Wildnisgebiete in Deutschland. Dieser Wert müsste fast verzwanzigfacht werden. Im internationalen Vergleich ist Deutschland auf dem drittletzten Platz in der EU, was Schutzgebiete anbelangt. Die Egge bezeichnet Wohlleben als ein sehr gut geeignetes Gebiet, das zudem ausschließlich aus Staatswaldanteilen besteht. „Ein zweiter Nationalpark in NRW ist das Beste, was wir momentan umsetzen können, und wir sollten das sofort tun!“, so Wohlleben. 

Die Aufregung, die das Thema begleitet, kennt der Förster gut: 

„Wir sehen das bei allen Nationalparks in Deutschland, dass Interessengruppen aus dem Hintergrund die Aufregung schüren“. Holznutzungsgruppen, obwohl in der Minderheit, würden den Ton angeben. „Das haben wir überall, auch hier beim Nationalpark Egge, dass diese kleine Gruppe Forst-Holz-Jagd die Diskussion bestimmt und gezielt schürt.“ Dabei hätten die Gegnerinnen und Gegner völlig verkannt, dass es in Zukunft gar nicht um Holz geht. „Es geht um unsere Zukunft und schlicht und ergreifend ums Überleben.“ Intakte Wälder kühlen die Landschaft, sorgen für die Wasserkreisläufe und -neubildung. „Wir wollen Brennholz, Bauholz, brauchen, brauchen, brauchen“, so Wohlleben. Aber das Wichtigste, was gebraucht wird, ist Wasser. Wälder sorgen für gutes Wasser in der Landschaft. „Es ist beschämend, wenn wir nun in diese ethisch-moralische Schiene kommen, wie wenig wir insgesamt als Gesellschaft anderen Lebewesen übriglassen und vergessen, dass das unser Ökosystem ist, ohne das wir hier alle nicht überleben können.“ Er bezeichnet das Verhalten der Gegner als schädlich für die Allgemeinheit. „Selbst wenn wir unsere internationalen Ziele einhalten, bedeutet das, dass wir den größten Teil der Fläche weiter bewirtschaften. Es geht nur darum, einen klitzekleinen Teil der Fläche endlich anderen Lebewesen zu überlassen – und wir Menschen können dieses Areal trotzdem weiter nutzen.“

Das Bundesverfassungsgericht habe schon mehrmals darauf hingewiesen, dass bei einem öffentlichen Wald die Holzerzeugung nicht im Vordergrund stehen darf. Schutz und Erholung haben Vorrang. Der Nationalpark darf die Landschaft kühlen, darf für Grundwasser und für Erholung sorgen. Die Erholungs- und Tourismusindustrie blühen auf. „Ein Nationalpark schafft Arbeitsplätze. In Euro ausgedrückt ist das ein Hochleistungsbetrieb, der daraus wird“, macht der Experte deutlich. Die allermeisten Forstbetriebe seien ohne Subventionen gar nicht wirtschaftlich. Ein Nationalpark wirft wirklich Geld ab, während das viele Forstbetriebe nicht mehr tun.

In einem Nationalpark sei das Ziel nicht Naturverjüngung, sondern die Entstehung natürlicher Prozesse. 

Die Wälder dürfen wieder dunkler werden, umgestürzte Bäume bleiben liegen. Der Sinn eines Nationalparks ist, wieder etwas bescheidener zu werden. Man überlässt auf wenigen Promille der Fläche den Prozess sich selbst. „Und dort, wo man das macht, ist es sehr schön“, weiß Wohlleben. 

Überall dort, wo man die Prozesse laufen lässt, funktioniert es sehr gut. Je stärker man eingreift, desto schlechter wird die Ausgangssituation. Der Gedanke, dass man das selbst verursacht hat, entstehe häufig nicht in den Köpfen. Der Klimawandel stresst das Ökosystem derart, dass nun gnadenlos alle von Menschenhand gemachten Fehler und viele Schwachstellen aufgedeckt werden. Intakte Ökosysteme seien viel resistenter als manipulierte, stellt Wohlleben klar. Er kenne kein Beispiel, wo ein gepflanzter Wald besser ist als das Original. Es sei kein Argument zu sagen, man müsse so viel einschlagen, weil das Holz gebraucht wird und dabei „das Pferd „Wald“ zu Tode reitet“. Dann komme in Zukunft noch weniger Holz auf den Markt. Das sei ein Argument, das nicht zieht, aber dennoch häufig verwendet werde. 

Er wünscht darum den Menschen in den Kreisen Höxter und Paderborn viel Erfolg bei ihrem Bürgerentscheiden.

 

Quelle: NABU NRW