Am Ortseingang Kohlstädts steht von Schlangen kommend auf der linken Seite ein unscheinbares Gemäuer, von Pflanzen sowie Büschen überwachsen und umgeben. Es handelt sich um die Kohlstädter Burgruine – oder was davon übrig ist. Das kurze Mauerstück steht gut versteckt zwischen Bäumen und einem angrenzenden Haus, so dass es leicht übersehen werden kann, wenn man mit dem Auto daran vorbeifährt. Es reizt uns, dieses geschichtsträchtige Mauerwerk zu betreten, jedoch halten uns der dichte Bewuchs und die Warnung vor Steinschlag sowie das „Betreten verboten“-Schild von einer weiteren Erkundung ab. Wir müssen uns also mit der Erforschung der Historie dieses Ortes begnügen. So unscheinbar und versteckt die Erscheinung dieses Lost Place von außen ist, so überraschend und sagenumwoben ist seine Geschichte.

Als Erbauer der im frühen Mittelalter, ungefähr um das Jahr 1100, nach fränkisch-normannischem Muster errichteten Turmhügelburg kommen womöglich die Schwalenberger Grafen und die Schutzvögte des Klosters Corvey in Frage. Das Bauwerk war wohl einerseits Wohnsitz für eine edle Familie und besaß andererseits die Funktion, die bedeutende Passstraße über die Egge zu kontrollieren. Dazu verfügte die Kohlstädter Burg, wie Ausgrabungen um das Jahr 1932 zum Vorschein brachten, früher über einen mächtigen, sagenumwobenen Turm mit einer Seitenlänge von zwölf Metern, einer Breite von über vier Metern und einer Mauerdicke von unglaublichen 2,40 Meter. Der Sage nach sollte dies der Turm der germanischen Seherin Veleda gewesen sein, über die der römische Schriftsteller und Senator Tacitus einst schrieb, dass sie um 70 n. Chr. in einem Turm an der Lippe gewohnt haben soll.

Der mystischen Geschichte rund um die Veleda zufolge, soll die dem Stamm der Brukterer angehörende Seherin zu jener Zeit – 75 Jahre, nachdem Arminius mehrere römische Legionen bezwungen hatte – unter anderem einen bedeutenden Sieg der Germanen, genauer gesagt des germanischen Fürsten aus dem Stamm der Bataver Gaius Julius Civilis, gegen die Römer vorausgesagt haben. Die Germanen eroberten in der Folge die Römerlager bei Vetera (in der Nähe von Xanten), Novaesium (das heutige Neuss) und Bonna (das heutige Bonn) ohne auf großen Widerstand zu treffen. Veleda hatte also wieder einmal erfolgreich die Zukunft vorhergesehen. Aufgrund solcher Vorhersagen wurden Seherinnen zur damaligen Zeit teilweise sogar als Göttinnen verehrt.

Doch nicht nur praktizierte vielleicht eine Seherin im alten Kohlstädt ihre Künste, sondern es hielt sich in früheren Jahrhunderten auch lange Zeit das hartnäckige Gerücht, dass unter der Burgruine ein vergrabener Schatz von unermesslichem Reichtum liegen soll. Als dann im Jahr 1703 eine Kohlstädter Frau einen Mistelzweig in der Ruine entdeckte, dem damals die Funktion einer Wünschelrute zum Finden von Schätzen zugeschrieben wurde, und sie zugleich angeblich von einer mönchsähnlichen Zwergengestalt bedroht wurde, war man sich sicher, dass es den Schatz wirklich geben musste. In der Hoffnung einen Braukessel voll Goldstücken zu finden, grub die Frau gemeinsam mit einigen Männern nachts nach dem Schatz, den sie aber nicht fanden. Stattdessen wurden die Schatzgräber vom Gericht in Horn mit hohen Geldstrafen belegt und die Frau wurde zur Strafe sogar für einige Stunden an den Pranger gestellt.

Existiert dieser sagenumwobene Kohlstädter Burgschatz vielleicht wirklich? Wer weiß. Jedenfalls wurde er noch nicht gefunden und müsste demnach heute noch irgendwo in der Nähe der Burgruine bzw. des früheren Burggeländes in der Erde vergraben liegen. Kurz überlegen wir vor der Ruine stehend, ob wir uns schnell mit Schaufeln bewaffnet an die Arbeit machen sollen, um uns schließlich am Ende des Tages strahlend in glänzenden und glitzernden Goldstücken wälzen zu können. Doch wir verwerfen diesen Gedanken wieder, bevor wir unrechtmäßig in fremdem Gelände buddeln und vielleicht sogar noch am Pranger landen. Da ordnen wir die Sage um den Kohlstädter Burgschatz vorsichtshalber doch lieber in das Reich der Sagen ein. (dr)

 

Quellen: 

http://www.khd-research.net/Heimat/Sch/Ex/Burg_in_Kohlstaedt.html

https://www.gemeinde-schlangen.de/gemeinde-wAssets/docs/freizeit-tourismus/sehenswuerdigkeiten/folder-burgruine-kohlstaedt.pdf

https://blog.travian.com/de/2015/07/wer-war-eigentlich-veleda/