Unberührte Natur, es riecht nach Gras und Wald, absolute Ruhe – nein doch nicht ganz. Wir hören die Rufe von ein paar Vögeln und hin und wieder kommt auch ein Auto vorbei. Die Nachmittagssonne taucht den Heidebahnhof in der Senne in ein orangenes Oktoberlicht. Bei genauerer Betrachtung dieses „Bahnhofs“, werden wir jedoch misstrauisch. Denn es gibt hier ja gar keine Gleise, von vorbeifahrenden Zügen, umherhetzenden Reisenden und Schaffnern ganz zu schweigen. Der Heidebahnhof in der Senne ist wohl der einzige Bahnhof weit und breit, durch den noch nie ein Zug gerollt ist. Denn er war in Wirklichkeit nie ein Bahnhof. 

„Für einen Lost Place ist das Gebäude eigentlich viel zu gut gepflegt“, denken wir. Und dennoch scheint sich hierhin keine Menschenseele zu verirren. Also doch lost? Oder eher ein forbidden place? Vermutlich irgendwie beides. Denn das Betreten des Heidebahnhofs selbst und auch des Geländes rundherum ist – wie in der Senne üblich – strengstens verboten.

Der Fachwerkstil verleiht dem einsam stehenden Gebäude einen gewissen optischen Reiz – eine Optik, die sich gut in das Gesamtbild der Naturlandschaft von Bäumen, Sträuchern und Gräsern der Senne einfügt, die den Heidebahnhof umgeben. Inmitten dieser natürlichen Idylle bleibt das Gebäude jedoch ein Mysterium. Denn einen Blick hinein können wir nicht erhaschen. Das Innere des Heidebahnhofs wird durch grüne Fensterläden vor neugierigen Blicken geschützt, die Tür ist verschlossen. Doch Moment mal! Sind das überhaupt echte Fensterläden? Ganz sicher kann man sich da nicht sein, schließlich wurde das Gebäude damals als Attrappe gebaut. Es fungierte als Landmarkierung und Bezugspunkt für in der Senne übende Truppen. Auch die über dem Gebäude thronende Uhr steht still: Sie zeigt konstant 15:55 Uhr an.  Hier kommt garantiert kein Zug pünktlich an.

Der heutige Heidebahnhof ist übrigens auch schon dessen zweite Version. Ursprünglich 1935 erbaut, wurde das altehrwürdige Bauwerk im Jahr 1972 von einem starken Sturm zerstört, daraufhin von der Bundeswehr wieder neu errichtet und anschließend im Oktober 1974 an die englische Platzkommandantur übergeben wurde. (dr)

 

Quelle: Truppenübungsplatz Senne: Zeitzeuge einer hundertjährigen Militärgeschichte, herausgegeben von Uwe Piesczek. (Bonifatius-Verlag, 1992)